Freitag, 7. November 2008

SKYTHEN




سکاييان

WER WAREN DIE SKYTHEN?

EINFLUSS DER SKYTHISCHEN KUNST AUF MITTELEUROPA

( Der Artikel ist anläßlich der Podiumsdiskussion

"WURZELN EUROPAS - Dialog der Kulturen"

am 21. Juni 2007 im Festsaal des Rathauses Saarbrücken,
als Skript erschienen und veröffentlicht worden . Die Aufzeichnung dieser Diskussion ist später vom SR 2 Kultur Radio am Sonntag, 21.10.2007, 20.04 bis 21.00 Uhr übertragen worden )

Ali-Reza Motamedi-Sedeh


Historisch belegte Spuren der Skythen

Die Skythen, in assyrischen Quellen (8. Jahrhundert v. Chr. Iškuzai (Ischkuzai), in altpersischen Quellen (6. Jahrhundert v. Chr.) Sakaa, genannt, waren indoeuropäische, bzw. indoiranische – ostiranisch-nomadische Reiterstämme – und sie besaßen keine eigene Schrift; schriftliche Quellen zu ihrer Geschichte stammen vorwiegend aus assyrischen, persischen, griechischen, chinesischen und später auch aus den römischen Geschichtswerken und Quellen.

Altpersische Keilinschriften von Dareios (521-485 v. Chr.) und Xerxes (486-465 v. Chr.) aus der zweiten Hälfte des 6. und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. nennen drei Volksgruppen der SakŒ (persische Bezeichnung für Skythen): 1. Sakaa tyaiy paradraya (wörtlich: Saken jenseits des Meeres wohnend) , 2. Saka tigraaxaudaa (wörtlich: Spitzhelmtragende Saken) und 3. Sakaa haumavarga ( wörtlich: Hauma (Rauschtrank) trinkende Saken; nach Herodot amyrgische Skythen) .

Die Skythen, die nach Herodot (etwa 485-425 v. Chr.) sich Skoloten (Herodot IV, 6) nannten, waren, wie oben erwähnt, ein ostiranisches Nomaden- und Reitervolk, das ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. von den mittelasiatischen Steppen in das Gebiet nördlich und östlich des Schwarzen Meeres eingewandert und dort ansässig war. Nach Herodot gab es vier Hauptgruppen der Skythen (Skoloten), die Aucheten, die Katairen, die Traspier und die Paralaten (Herodot IV, 6)

Sie drangen im 8. Jh. v. Chr. den Kimmeriern folgend, (Kimmerier, die in den assyrischen Keilschrifttexten Gimirrai genannt werden und ebenfalls den indoeuropäischen Reiterstämmen zugehören), über den Kaukasus nach Vorderasien vor und waren in dem Gebiet um den Urmia-See (im Nordwesten Irans) an der Zerschlagung des urartäischen Staates beteiligt.

Anfang des 7. Jahrhunderts v. Chr. zogen die Skythen südlich des kaspischen Meeres weiter und drangen in das Königreich Medien (Die Meder, keilschriftlich Maadaiy, ebenfalls ein indoiranischer Volksstamm, im westlichen Teil des alten Persien, der von 618-550 v. Chr. herrschte ) ein. Von dort wurden sie jedoch 625 v. Chr. von dem medischen König Kyaxares vertrieben.

Vom 614 bis 612 trugen die Skythen im Bündnis mit Medien und Babylonien zum Sturz des bis dahin mächtigen assyrischen Großreichs bei. Für die Zeit um 600 v. Chr. ist die Anwesenheit der Skythen durch archäologische Funde in Armenien nachweisbar.

Im 6. und 5. Jahrhundert drangen skythische Stämme im Westen in das heutige Rumänien und östliche Ungarn vor; einzelne Vorstöße führten sie offenbar bis nach Ost- und Süddeutschland sowie nach Oberitalien. Im Osten kam es zu Konflikten mit dem aufsteigenden persischen Reich der Achämeniden (559-330 v. Chr.). Der Perserkönig Dareios I. unternahm einen Feldzug gegen die Skythen, der jedoch 513 scheiterte. Diese Reiterscharen waren berühmtberüchtigte Bogenschützen (Erfinder des Kompositreflexbogens) .

Seit der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurden die Skythen jedoch mehr und mehr von den aus dem Osten vorrückenden Sarmaten (ebenfalls ein iranischer Volksstamm) verdrängt. Im 3. Jahrhundert v. Chr. drangen skythische Stämme in das iranische Partherreich (247 v. u. Z. bis 226 u. Z ) südöstlich des kaspischen Meeres ein. Um 130 v. Chr. zogen sie weiter nach Osten in das Königreich Baktrien im Gebiet des heutigen Afghanistan. Im 1. Jahrhundert v. Chr. fielen die Skythen in West- und Nordindien ein, wo sich noch Spuren aus den folgenden fünf Jahrhunderten erhalten haben.

Die Sprache und Volkszugehörigkeit der Skythen

Für die Indo-Iranisten stehen zur Zeit vier altiranische Sprachen fest: Awestisch, Medisch Altpersisch und Skythisch.

Die Sprache der Skythen war eine Variante des Iranischen. Sie gliederten sich in diverse Stämme, zu denen u. a. die Skoloten (Skythen), die Saken und die Königs-Skythen gehörten. Die Skythen waren primär Viehzüchter: Sie hielten Pferde, Kühe und Schafe, lebten in Planwagen und waren für ihre Reitkunst sowie als Bogenschützen berühmt. Sowohl Meder als auch Perser adaptierten Pfeil und Bogen der skythischen Steppenreiter.

Wie die Ägypter kannten die Skythen ebenfalls die Einbalsamierung von Toten. Möglicherweise glaubten auch sie an ein Leben nach dem Tod. Für diese These spricht ebenfalls der Umstand, dass skythische Fürsten in Hügelgräbern (Kurganen) mit Waffen, Schmuck, getöteten Pferden und anderen Grabbeigaben bestattet wurden.

Auf allen Darstellungen werden die Skythen, aber auch die Saken, als eine eindeutig europide Bevölkerung dargestellt, im Nordschwarzmeerraum wie auf persischen Reliefs. Dem entspricht auch der anthropologische Befund der zahllosen in skythischen Gräbern entdeckten Sklette. … Dazu passen auch die Ergebnisse der Sprachwissenschaft, die die Skythen ebenso wie die mit ihnen verwandten Stämme, so etwa die Saken, dem Kreis iranischsprachiger Völkerschaften zuweisen. Zwar ist uns die Sprache der Skythen und Saken nicht erhalten geblieben, doch lassen sich diese Fragen auch anhand von Personen-, Götter-, Stammes- und Flußnamen untersuchen. So ist etwa im Namen der Erdgöttin Api das iranische Wort für Wasser, ab, enthalten, womit außerdem vielleicht zum Ausdruck gebracht werden soll, daß in den Funktionsbereich dieser Gottheit auch die Gewässer der Erde gehören, die erst die Fruchtbarkeit des Erdbodens ausmachen. In der skythischen Königssage begegnet der Stammesname der Traspier, in dem das iranische Wort für Pferd, aspa, steckt. Zahllose weitere Beispiele ließen sich hinzufügen. Sie lassen keinen Zweifel daran, daß es sich zumindest bei den skythischen Führungskräften um Iraner gehandelt haben muß. Dazu paßt, daß auch die skythischen Königssagen oder der mythische Polarzyklus gute Entsprechungen in der altiranischen Überlieferung finden. So können wir mit gutem Grund die Skythen und Saken als Nordiraner bezeichnen. Nicht zufällig drangen die Parsua, die Vorfahren der in der Landschaft Fars aufsteigenden Perser, sowie später die Parther und andere von den mittelasiatischen Steppengebieten im Norden aus auf das Iranische Hochland vor und nahmen es in Besitz „ (Parzinger, S.77-78)

Daß die Skythen tatsächlich dem nordöstlichen Zweig der iranischen Sprachgruppe angehörten, wird dadurch klar und deutlich, daß die Sauromaten oder Sarmaten, die laut Herodot eine Eigenart (d. h. einen Dialekt) der skythischen Sprache verwendeten – „Die Sauromaten sprechen die skythische Sprache; doch haben sie darin seit alterher ihre Eingenheiten bewahrt …“ (Herodot IV, 17) -, zweifellos Iranier waren. In den spätgriechischen Inschriften der Kolonien der nördlichen Schwarzmeerküste sind rund 300 iranische Namen überliefert, die sich nur durch den sarmatischen Einfluß erklären lassen. Diese Namen zeigen gewisse geographische Unterschiede in der Lautentwicklung, was mutmaßlich auf die Existenz eines östlichen (= skythischen?) und eines westlichen (= sarmatischen?) Dialektes deutet.

Somit bildeten das Skythische, das Sarmatische und das Sakische (altostiranische Sprachen) im Altertum ein sprachliches Kontinuum, aus dem später auch das soghdische, das Alanische (beide altiranische Sprachen, ausgestorben) und das Ossetische (ebenfalls eine iranische Sprache) erwuchsen.

Das Kunsthandwerk der Skythen

Die Skythen waren in der Metallbearbeitung und im Kunsthandwerk sehr einfallsreich; sie nahmen gestalterisch Impulse aus der griechischen, persischen und chinesischen Kunst auf und übten selbst nachweisbare Einflüsse auf das Kunsthandwerk der Nachbarvölkker, wie auch auf das Kunsthandwerk der Kelten und Germanen aus. In der Skythischen Kunst dominierten hauptsächlich Tiermotive, die die skythische Religion und die Glaubensvorstellungen reflektierten. Die heute bekannten Gegenstände und Zeugnisse der skythischen Kunst, vorwiegend aus Gold und Bronze, stammen als Grabbeigaben der skythischen Herrscherschicht zumeist aus Hügelgräbern (Kurganen) in denen auch die Frauen und die Dienerschaft der jeweiligen Fürsten und zahlreiche Pferde beigesetzt wurden. In diesen Hügelgräbern fanden sich auch importierte Gegenstände griechischer, persischer chinesischer und ägyptischer Herkunft.

Die Funde der skythischen Kunst, vorwiegend aus Kleinplastiken bestehend, dienten als Schmuckplatten für Schilde oder für die Brustpanzer, für die Kleidung oder für das Geschirr aber auch als Amulette. Das bevorzugte Material dieser gegossenen oder getriebenen Gegenstände war Gold oder Bronze, gelegentlich mit Einlegearbeiten, z. B. aus Türkis, gefärbtem Glas, Email und Bernstein verziert.

Die Skythen pflegten wie andere Steppenvölker – aber auch wie später im ersten nachchristlichen Jahrtausend die Germanen, Angelsachsen und Wikinger – den so genannten Tierstil, der in dekorativer Form Motive wie Hirsche, Elche, Steinböcke, Pferde, Panther, Tiger, Raubvögel, Fische und Fabelwesen darstellte. Die Tierdarstellungen der skythischen Kunst zeichnen sich durch starke Stilisierungen bei gleichzeitiger Naturhaftigkeit und Lebendigkeit aus .

Eine der bedeutendsten Fundstellen für skythische Kunst ist das aus dem 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. stammende Gräberfeld von Pazyryk im Altai. Dort wurden, im Dauerfrostboden, Gegenstände ausgegraben, die aus vergänglichen Materialien wie Holz, Leder, Pelz, Filz, Stoffen etc. hergestellt und ausgefertigt waren . Zu den zahlreichen Fundstücken, die einen ausgezeichneten Einblick in die Kultur der Skythen erlauben, gehören Kleidungsstücke, ein Teppich persischen Ursprungs, der als ältester der Welt gilt, Schmuck, Geschirr, Sättel und Pferdedecken . Die meisten Gegenstände sind reich verziert, z. B. mit Applikationen aus Filz und Leder. Zu den Schmuckmotiven gehören vorwiegend Tiere, darunter auch Rentiere, aber auch Reiterbilder und Ornamentformen wie Hahnenkamm- und Lotusmotiv. Verschiedene Fundstücke lassen kulturelle Beziehungen zu China, Persien, Vorderasien und Griechenland erkennen. Die größte und bedeutendste Sammlung skythischer Kunst wie auch die Funde aus Pazyryk sind in der Eremitage in Sankt Petersburg ausgestellt.

Der Einfluss der skythischen Kunst auf Mitteleuropa

Einige Historiker und Archäologen vermuten, dass der Einfluss des kimmerischen und skythischen Brauchtums und der Kunst auf die Kelten von großer Bedeutung war und sie betrachten das Auftauchen von dreiflügeligen Pfeilspitzen aus Fundstellen in der Slowakei und in Ungarn als Beleg für das Vordringen und die Anwesenheit der Skythen in diese Gebieten.

Sie vertreten ebenfalls die Theorie, dass die typisch als keltisch geltenden verschlungenen Tiermotive, sowie die Verehrung des Pferdes, die Verwendung von Streitwagen, das Aufstellen von Grabstatuen, wie auch der Brauch, die abgeschlagenen Köpfe der Feinde als Trophäe an Gürteln zu tragen, auf den frühen Kontakt der Kelten mit nordiranischen Reitervölkern zurückgehen.

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Literatur:

Compendium Linguarum Iranicarum: Herausgegeben von Rüdiger Schmitt. Wiesbaden 1989

Wladimir Lukonin u. Anatoli Iwanow: Persische Kunst (Die Kunst Persiens). England 1996

M. I. Artamanov: Treasures from Scythian Tombs in the Hermitage Museum. Leningrd. London 1969

Hermann Parzinger: Die Skythen. C. H. Beck, München 2004

Hermann Sauter: Studien zum Kimmerierproblem. Habelt, Bonn 2000

Herodot: Historien ed. Josef Feix. 2 Bände (Griechisch-deutsch). Heimeran Verlag, 3. Auflage 1980

Janosz Harmatta: Studies in the History and Language of the Sarmatians. Szeged 1970

Lexikon Alter Orient - Ägypten. Indien. China. Vorderasien- . Wiesbaden 1997

Ladislav Zgusta: Die griechischen Personennamen griechischer Städte der nördlichen

Schwarzmeerküste. Prag 1955

Manfred Mayrhofer: Einiges zu den Skythen, ihrer Sprache, ihrem Nachleben. Wien 2006

Roland G. Kent: Old Persian, New Haven. Connecticut 1953


(A.-R. Motamedi-Sedeh - 2006)

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